Im islamischen Recht ist vor Allah ﷻ verantwortlich, wer die Geschlechtsreife erlangt hat. Mit der Geschlechtsreife wird auch das Fasten im Ramadan verpflichtend. Ein Zeichen für die Geschlechtsreife des Mädchens und des Jungens ist die Ejakulation. Für Mädchen kommt das Einsetzen der Menstruation hinzu. Ist bisher kein Anzeichen der Geschlechtsreife eingetreten, werden Mädchen und Jungen spätestens mit dem Erreichen des 15. Lebens-jahres nach dem Mondkalender als geschlechtsreif eingestuft. Mädchen und Jungen gelten mit dem Einsetzen der Geschlechtsreife oder mit spätestens 15 Jahren als “erwachsen” (baligh). Sie sind vor Allah ﷻ verantwortlich (mukallaf) und sie trifft die Verpflichtung, im Ramadan zu fasten. Unsere erwachsenen “Kinder” fasten den gesamten Ramadan. Es sei denn, für sie gilt eine der islamrechtlichen Ausnahmen. Unsere Kinder, die noch nicht geschlechtsreif sind, müssen formal gesehen nicht fasten. ABER…
Die Vorbereitung auf den Taklif
Das Ziel der islamischen Kindererziehung ist es, das Kind zur Dienerschaft gegenüber Allah ﷻ zu erziehen und auf seine Verantwortlichkeit vor Allah ﷻ vorzubereiten. Darauf arbeiten die Eltern viele Jahre systematisch, ausdauernd und geduldig hin. Im Kind wird durch die Eltern eine eigene Motivation geweckt und gepflegt, die Gottesdienste (‘Ibadat) und die Verpflichtungen gegenüber Allah zu erfüllen. Die eigene Motivation des Kindes zu fasten, zu beten, den Quran zu lesen und zu lernen…im Allgemeinen die ‘Ibadat (Gottesdienste) auszuführen, basiert auf drei Elementen:
Überzeugung – Liebe & Dankbarkeit – Gewohnheit
Denn im Islam erziehen wir immer auf drei Ebenen:
Denken – Fühlen – Handeln
Die Überzeugung fürs Fasten
Als Eltern schenken wir unseren Kindern eine feste Überzeugung davon, wie wichtig und wie wunderbar das Fasten im Ramadan ist. Dies beginnt lange vor dem Ramadan und wird regelmäßig aufgegriffen und vertieft. Dazu nutzen wir die Verse aus dem Quran und die Aussprüche von Rasulullah ﷺ. Damit unsere Kinder die Vorzüge des Fastens und des Ramadan verinnerlichen. Damit sie lernen, das Fasten und den Ramadan zu lieben.
Monat der Barmherzigkeit – Vergebung – Säule des Islam – Paradiestore geöffnet – das Paradiestor der Fastenden (Ar-Rayan) – Offenbarung des Quran – Laylatul Qadr – Taqwa erlangen…
Die Schönheit des Ramadan und des Fastens begreifen unsere Kids vor allem an uns. An unserer Überzeugung und Freude über den gesegneten Monat, unserer Hingabe beim Fasten und wie wir unsere Kinder in all das einbeziehen.
Die dankbare Beziehung und Liebe des Kindes zu Allah ﷻ
In seiner Fitra liebt jedes Kind Allah, seinen Schöpfer. Es hat die Veranlagung, Allah anzubeten. Seitens der Eltern gilt es, diese Fitra zu erhalten und zu fördern. Indem sie mit ihren Kindern Allahs schöne Schöpfung bestaunen und Allahs schöne Namen und Eigenschaften zu den Segnungen in Bezug setzen: “Allah liebt dich! Er ist der Versorger, der uns Luft, Wasser und Nahrung schenkt, Alhamdulillah. Allah hat dich so schön erschaffen, mit Augen, Nase, Mund, Händen und Füßen, Tabarakallah…” Die Eltern müssen alles unterlassen, das die Liebe des Kindes zu Allah ﷻ zerstört: Drohungen mit Allahs Strafe, mit Jahannam, das Verängstigen mit dem Shaytan…
Die Gewohnheit und gemeinsame Ausführung
Auf der kindlichen Liebe zu Allah ﷻ müssen Gewohnheiten aufbauen. Der Gottesdienst wird bereits im Kindesalter mit den Eltern geübt und als Gewohnheit durch Eltern und Kinder etabliert. Dass unsere Kinder die Inhalte und die Weisheiten ihrer Ibadat noch nicht vollständig erfassen, ist kein Hindernis. Es geht zunächst um den Aufbau der Gewohnheit.
Das graduelle Heranführen
Im Islam gilt für Kinder das Prinzip der graduellen Heranführung an die Gottesdienste. Unsere Kinder üben die schrittweise Ausführung ihrer Ibadat, noch bevor sie dazu verpflichtet sind. Dies ergibt sich unter anderem aus der Anordnung unseres geliebten Propheten Muhammad ﷺ, dass Kinder ab 7 Jahren mit dem Gebet beginnen. Der graduelle Aufbau ihrer Ibadat ist für unsere Kinder enorm wichtig. Sie dürfen trainieren und sich gewöhnen, sie dürfen lernen, bevor der Gottesdienst zur Pflicht wird. Wer die graduelle Trainingsphase mit seinen Kindern auslässt, droht sie mit dem Einsetzen der Geschlechtsreife völlig zu überfordern.
Zur Zeit des Propheten ﷺ und seiner Sahaba (ra) ließ man auch die Kinder fasten (siehe Abschnitt zum Fasten der Kinder im Sahih Al-Bukhari). Wie kann das für uns praktisch aussehen?
Die “Minis” (Kinder ab 3 Jahren)
Im Kleinkindalter ab 3 Jahren verstehen unsere Kinder erst allmählich, was der Ramadan ist und was es bedeutet, zu fasten. In diesem Alter können Kinder noch nicht systematisch fasten. Um dennoch allmählich Bewusstsein und Liebe für den Ramadan und das Fasten aufzubauen, sollten die ganz Kleinen in die Rituale rund um den Ramadan und den Iftar eingebunden werden.
Damit auch die ganz Kleinen den Stolz empfinden, “gefastet” und im Ramadan mitgemacht zu haben, können wir sie für ihr “Fasten” zwischen ihren normalen Mahlzeiten loben: “Du hast ja zwischen dem Mittagessen und dem Snack gar nicht gegessen! Da hast du ja auch eine ganze Stunde gefastet! Allahumma Barik!”
Die “Kleinen” (Kinder ab 5 Jahren)
Ab diesem Alter können die Kids langsam erfassen, was es bedeutet, sich für einen Zeitraum der Nahrung zu enthalten. Leg gemeinsam mit deinem Kind eine Zeitspanne fest, die es fasten kann, z.B. die letzten 2 Stunden vor dem Iftar. Auch wenn uns dies sehr gering erscheint, so trainiert das im Kind die wichtige Vorstellung und Disziplin: “Ich enthalte mich für Allah!” Lass dein Kind eine sättigende Mahlzeit essen, bevor sein “Fasten” beginnt.
Die “Großen” (Kinder ab 7 Jahren)
Nun kann der Tag in 3 Abschnitte unterteilt werden: Von Fadjr bis Dhuhr, von Dhuhr bis Asr und von Asr bis Maghreb. An diesen Etappen kann sich das Fasten des Kindes orientieren und aufbauen: Wenn der erste Ab-schnitt über ein paar Tage hinweg gefastet wurde, wird der zweite hinzugenommen und danach der dritte…
Wichtige Hinweise:
Bau das Fasten deines Kindes graduell und entwicklungsgerecht auf. Kleine Schritte und Erfolge über einen längeren Zeitraum sind oft von längerer Dauer, als plötzliche und große Schritte.
Die Sahabiyyat spielten mit ihren Kindern, um sie zeit-weise abzulenken, wenn ihnen das Fasten schwerfiel.
Dein Kind trainiert das Fasten noch. Wenn es nicht mehr kann, darf es selbstverständlich trinken und essen.
Tadel dein Kind nicht dafür, wenn es nicht geschafft hat, den ganzen Tag zu fasten. Lob dein Kind für das teilweise Fasten: “Du hast heute vier Stunden gefastet. Das ist toll, Allahumma Barik!”
Lass dein Kind unbedingt den Sahur einnehmen. Mit proteinhaltiger, gesunder Nahrung und viel Flüssigkeit. Vermeidet Salziges, Zuckeriges und Frittiertes.
Verteilt keine Geschenke oder Geld für das Fasten selbst. Sonst entsteht beim Kind die Erwartung, dass es weltliche Belohnung für Gottesdienste gibt. Natürlich soll es über den Ramadan verteilt kleine Aufmerksamkeiten und zum Eid Geschenke geben. Als Freude und aus Liebe zum Kind. Aber nicht als “Belohnung” für das Fasten.
Wenn du befürchtest, dass deinem Kind wegen des Fastens in der Schule Probleme gemacht werden, dann such bitte das Gespräch und sensibilisiere in der Schule für die Bedeutung des Ramadan.
Denk daran, dass der Fastentag lang sein kann. Pass das Fastenprogramm deines Kindes an diesen Umstand an.
Lass dein Kind für jeden Fastentag einen Stern ausmalen. Auch wenn teilweise gefastet wurde, wird der Stern eben teilweise ausgemalt.
Ramadan ist der Monat der Einheit unserer Ummah. Wir fasten zur gleichen Zeit, brechen unser Fasten zur gleichen Zeit, wir beten gemexinsam Tarawih und sind in unserem Gottesdienst miteinander verbunden. Erzeugt eine Fastenstimmung für eure Kinder, dies motiviert sie. Organisiert ab und an ein gemeinsames Fastenbrechen mit der Familie und Freunden oder in der Moschee. So merken eure Kindern und freuen sich: “Ich faste nicht allein! Auch meine Freunde fasten, genau wie ich.”
Möge Allah ﷻ uns alle den gesegneten Monat erreichen lassen. Möge Er den Hunger aller Muslime darin stillen und ihn zu einem Monat der Erleichterung und des Sieges machen.