Diese Frage wird von Eltern häufig diskutiert. Weil es vernünftige Stimmen gibt, die vor Pädophilen im Internet warnen, vor Datenklau und davor, dass zu viel Information über das Kind in falsche Hände geraten kann. Doch kaum jemand spricht darüber, was im Inneren von Kindern passiert, die von ihren Eltern in soziale Medien gestellt werden. Was in ihren Köpfen und in ihren Herzen passiert.
Unsere Kleinen haben wertvolle Absichten, für die Dinge, die sie tun. Doch wertvolle Absichten werden von der Kamera zerstört. Unsere Kinder spielen, malen, singen und sagen zuckersüße Dinge aus inneren Motiven. Weil sie mit ihrer nächsten Umwelt interagieren und sie mitgestalten wollen. Soziale Medien verkehren innere Motive zu äußeren – zur Suche nach Bestätigung und Anerkennung von vollkommen Fremden. Unsere Kinder verstehen, dass sich hinter der Kamera Augen befinden, die ihr Verhalten beobachten und bewerten.
Unsere Kinder machen Du’a, beten und rezitieren den Quran, weil sie uns damit nachahmen, weil sie ihren eigenen Weg zu Allah suchen und weil sie ihren Schöpfer lieben. Die Kamera macht aus ihren kleinen, unbeholfenen Gottesdiensten ein Schauspiel. Plötzlich ist die Kamera beim Gebet dabei. Wie sollen sie so lernen, allein für Allah zu beten?
Die reinen Absichten unserer Kinder opfert man nicht für die sozialen Medien. Auch nicht dafür, andere Kinder und Eltern zum Gottesdienst zu motivieren. Das muss anders gehen. Ohne die Motive unserer Kinder zu zerstören. Ohne sie fremden Augen auszusetzen.
Würden wir zulassen, dass Fremde unsere Kinder beim Spielen und Malen und Singen durch das Fenster des Kinderzimmers beobachten? Würden wir unsere Kinder diesem Gefühl aussetzen? Auch wenn der Fremde gar keine bösen Absichten hat. Würden wir wollen, dass unsere Kinder sich bei ihrem natürlichen Tun “beobachtet” fühlen? Oder wünschen wir uns, dass sie für sich und ihr direktes Umfeld agieren? Unsere Kinder merken, dass wir sie filmen und fotografieren. Auch wenn wir ihre Gesichter später in den sozialen Medien unkenntlich machen. Der schädliche Effekt ist da, denn die Kamera war dabei. Unsere Kinder verstehen, dass viele fremde Augen durch die Kamera der sozialen Medien schauen. Sie verstehen, dass sie von uns zur Schau gestellt werden. Sie verstehen, dass wir sie preisgeben.
Sie fangen an, für die Kamera zu posieren.
Erst ganz unmerklich, dann immer deutlicher.
Sie fangen an, die Dinge für die Kamera zu tun.
Erst ganz unmerklich, dann immer deutlicher.
Ihre Absichten kehren sich um, von innen nach außen.
Ihre Motive verlieren an Wert.
Im Islam ist kaum etwas so wertvoll, wie ein reines Herz. Ein Herz, das nur nach Allahs Wohlgefallen strebt. Ein Herz, das frei ist von Augendienerei und davon, nach der Aner-kennung der Menschen zu heischen. Denn es gibt einen Tag, an dem nur reine Herzen und Allahs Barmherzigkeit uns retten können. Die sozialen Medien machen es schon uns Großen schwer, unsere Absichten und Herzen rein zu halten.
Auch das Selbstbewusstsein unserer Kinder schwindet, denn ihr Handeln wird von Fremden gesehen und bewertet. Sie werden unruhig und ängstlich. Manche Kinder verfolgen sogar mit ihren Eltern gemeinsam, wie viele Klicks und Likes sie bekommen.
Was ist der Unterschied zum Foto für Oma und Opa? Dass Oma und Opa keine Fremden sind, sondern Menschen mit wohlwollendem Bezug zum Kind, mit Bindung und Beziehung. Unsere Kinder kennen Oma und Opa, fühlen sich bei ihnen sicher, werden von ihnen geliebt und sind bei ihnen geschützt. Das alles (Beziehung, Sicherheit und Bindung) gibt es in den sozialen Medien nicht.
Warum teilen Eltern das Tun ihrer Kinder auf öffentlichen Accounts in den sozialen Medien? Sie tun das für den Algorithmus, für Clicks, Likes und für Werbeeinnahmen. Das sind nicht die richtigen Motive, um unsere Kinder in den sozialen Medien preiszugeben und ihre innere Ausgeglichenheit ist viel wertvoller, als all das. Manchmal tun Eltern das auch aus der aufrichtigen Annahme, dass es ihrem Kind nicht schadet und um andere Eltern und Kinder zu Gutem zu motivieren. In beiden Fällen ist Aufklärung wichtig.
Manchmal tun Eltern das sogar, weil ihre Kinder es wollen und sie darum bitten. Weil Mama und Papa ja auch andauernd vor der Kamera stehen, sich selbst und ihren Alltag fotografieren und filmen. Allein die Forderung unserer Kinder sollte uns ein Warnsignal sein, dass die Kamera eine zu große Rolle in unserem Alltag einnimmt.
Unsere Kinder verstehen den Ansatz der sozialen Medien. Jedoch verstehen sie ihre Langzeitfolgen noch nicht. Deshalb erklären wir ihnen, warum sie, ihr Tun und ihre Motive für die sozialen Medien viel zu wertvoll sind.
Gibt es Wege, als Mütter und Väter in den sozialen Medien aktiv zu sein, ohne die eigenen Kinder zu gefährden, ohne ihre Motive nach außen zu verkehren, ohne ihr Tun durch die Kamera vor tausende Augen zu stellen, ohne sie und ihr wertvolles Innenleben preiszugeben? Bestimmt gibt es sie. Es ist es unsere Aufgabe als Erwachsene, kreativ zu werden, in den sozialen Medien positive Botschaften zu verbreiten und gleichzeitig unsere Kinder zu schützen. Ihre wertvollen inneren Motive zu bewahren und sie für sich, für ihr echtes Umfeld und vor allem für Allah handeln zu lassen.