„Aber sie hat doch damit angefangen!“, ruft mein Sohn empört.
Meine Tochter, die um einiges jünger ist als er, hat ihren älteren Bruder geärgert und er hat auf Gleiches mit Gleichem reagiert. Die Kleine hat ihren großen Bruder so lange provoziert, genervt und angestoßen, bis er sie lautstark angeschrien hat. Jetzt weint meine Tochter und sucht Trost bei mir.
„Sie hat angefangen, da hast du Recht. Aber sie wird ja kaum aufhören, wenn du auf ihre Provokation auch mit Ärgern reagierst. Damit bringst du ihr doch bei, dass Ärgern in Ordnung ist, denn du antwortest mit Zurückärgern darauf.
Wehre mit dem, was besser ist, das Schlechte ab!
ادفَع بِالَّتي هِيَ أَحسَنُ السَّيِّئَةَ (Sure Al-Mu’minun, Vers 96)
Sie kann ja nur lernen, wie sie sich richtig verhält, wenn du es ihr vorlebst. Wir sind Muslime, wir reagieren auf Falsches nicht mit Falschem. Wir reagieren immer mit dem Guten und dem Richtigen, auch wenn jemand anderes falsch anfängt. Das war der Weg unseres Propheten Muhammad (saw) und das ist auch unser Weg.
Wir können doch nicht die anderen bestimmen lassen, wie wir uns verhalten, indem wir immer so reagieren, wie sie anfangen. Allah (swt) und das Vorbild unseres Propheten (saw) bestimmen doch, wie wir uns verhalten.“
„Aber sie hört ja nicht auf! Sie macht ja immer weiter!“, entgegnet mein Sohn mürrisch.
„Eigentlich will sie nur deine Aufmerksamkeit erregen. Sie will mit ihrem großen Bruder spielen und weiß nicht genau, wie sie es anstellen soll, dass du dich ihr zuwendest. Natürlich ist es viel leichter für dich, zurück zu ärgern. Und natürlich kostet es dich viel mehr Anstrengung, dich zusammenzureißen, dich nicht auf das Niveau der Kleinen herabzulassen und ihrer Suche nach Aufmerksamkeit Gehör zu schenken. Allerdings bin ich mir sicher, dass sie sofort mit dem Ärgern und Nerven aufhört, wenn du dich ihr zuwendest. Wenn du ihr eine kleine Geschichte erzählst oder sie einlädst, mit dir Lego zu spielen. Das ist natürlich anstrengender, als auf Gleiches mit Gleichem zu reagieren. Aber es lohnt sich! Denn das Ärgern hört dann auf und du lehrst deine Schwester, wie man sich richtig verhält.“
„Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“, könnten wir unseren Kindern in solchen Situationen sagen. Doch warum sollten wir? Fehlt es uns Muslimen denn an Offenbarung, an Quranversen und an prophetischen Ahadith, an denen wir zunächst unser eigenes Verhalten und dann das Verhalten unserer Kinder ausrichten? Fehlt es dem Quran an Weisheit und fesselnden Ayat, oder unserem Propheten (saw) an vorzüglichem Vorbild und eindringlichen Aussprüchen? Fehlt es uns an ewigen Quellen für die Erziehung unserer muslimischen Kinder? Erhaben sind Allah und Sein Gesandter über unsere Unwissenheit und Nachlässigkeit.
Wir tun unseren Kindern keinen größeren Gefallen, als sie in solchen Alltagssituationen mit der Offenbarung zu verlinken, mit ihrem Schöpfer und ihrem Propheten (saw). Weil wir damit die Weichen dafür stellen, dass sie zu ausgeglichenen, starken Persönlichkeiten werden, die ihren Trost, ihre Anleitung und die Lösung ihrer Probleme im Quran und in der Sunna finden. Weil wir unseren Kindern Leitsätze mit ewiger, unumstößlicher Gültigkeit schenken. Leitsätze, die ihre Geltung aus Allahs Weisheit und Bestimmung gewinnen. Leitsätze und Regeln, die weder der menschlichen Willkür unterliegen, noch mit der Zeit verblassen. Leitsätze und Regeln, die durch die höchste Instanz, durch den Herrn aller Menschen, begründet und aufgestellt sind. Leitsätze und Regeln, die unsere Kinder über die kleinen und großen Hürden ihres diesseitigen Lebens tragen werden, in sha Allah.
Unsere Kinder mögen ihre Ayat und die Ahadith im Eifer des Gefechts vergessen und oft ins gleiche Fettnäpfchen treten. Unsere Aufgabe als Eltern ist es, sie dann immer wieder mit denselben Ayat und Ahadith zu ermahnen, so wie der Erhabene uns in tausenden Versen erinnert und ermahnt. Wir wiederholen sie unseren Kindern unermüdlich, immer und immer wieder, damit sie über die Jahre zu ihrem Denken und zur Maßgabe ihres Handelns werden. Nachdem wir sie über die Jahre zunächst zu unserem eigenen Denken und zur Maßgabe unseres eigenen Handelns gemacht haben! Deswegen richtet sich der folgende Leitsatz vor allem an uns Eltern:
وَذَكِّر فَإِنَّ الذِّكرىٰ تَنفَعُ المُؤمِنينَ
„Und ermahne, denn die Ermahnung nützt den Gläubigen.“ (Sure Adh-Dhariyat, Vers 55)
Eltern, die es ihren Kindern konsequent auf Islamisch sagen, werden langfristig gottgefälliges Verhalten ernten, in sha Allah. Denn sie haben Allah (swt) und Seinen Gesandten (saw) als maßgebliche Instanzen im Verstehen und im Handeln ihrer Kinder etabliert.