“Darf ich mein Kind fürs Koranlesen mit Nintendo belohnen? Wie steht es überhaupt mit der Belohnung in der islamischen Erziehung? Ist es ok, wenn ich den Kindern Koran beibringe und sie dann dafür Fernsehen gucken dürfen oder dafür Nintendo spielen dürfen?” 

Das Rezitieren des Koran gehört zu den Gottesdiensten, den ‘Ibadat, in ihrer unmittelbarsten Form, genauso wie das Gebet, das Fasten oder der Dhikr. Die Gottesdienste sollen ausschließlich für Allah swt vollzogen werden, ohne dass der Mensch eine weltliche Belohnung dafür erwartet. Von diesem Prinzip ausgenommen sind nur jene Handlungen, denen die Offenbarung selbst, im Koran oder in der Sunna, einen weltlichen Gewinn zuschreibt, etwa das Pflegen der Verwandtschaftsbande oder die gute Behandlung der Eltern. Für die übrigen Gottesdienste gilt, dass sie nur für Allah swt erfolgen. Diese Aufrichtigkeit (Ikhlas) im Rezitieren des Koran gilt es von Anfang an in unseren Kindern zu verankern, indem wir immer wieder betonen: “Komm, lass uns Koran lernen. Denn es ist das Wort Allahs. Der Koran ist ein Licht für die Menschen. Der Koran ist unsere Rechtleitung, er ist Allahs Geschenk an die Menschheit und jeder Buchstabe bringt uns Lohn bei Allah! Wir wollen Allahs Wort verstehen und leben…”.

Je nach Entwicklungsstufe des Kindes sprachlich angepasst werden die Vorzüge der Rezitation des Koran immer und immer wieder besprochen und wiederholt. All dies geschieht im Rahmen einer ganzheitlichen islamischen Erziehung, bei der die Eltern Allah swt andauernd erwähnen, den Kindern die Gottesdienste vorleben und den Kleinen ein leuchtendes Beispiel an Ikhlas sind. Diese Reinheit der kindlichen Absicht wird von den Eltern zerstört, wenn sie mit weltlicher Belohnung vermischt wird. Deshalb gilt der Grundsatz: Es gibt keine weltliche Belohnung für Gottesdienste, also keine Geschenke, kein Geld, keine Süßigkeiten, kein Fernsehen, keine Videospiele die FÜR den Gottesdienst gewährt werden.

In jedem Fall aber bekommen die Kinder viel liebevolle Anerkennung für ihre Gottesdienste! Manche bezeichnen dies auch als “ideelle Belohnung”. Ich bevorzuge allerdings die Begriffe “Anerkennung” oder “Wertschätzung”, damit es bei den Eltern nicht zu Missverständnissen kommt. Die Kinder brauchen die Anerkennung ihrer kindlichen Gottesdienste durch die Eltern unbedingt, um ein positves Verhältnis zu den ‘Ibadat und damit zu Allah swt zu entwickeln und sich in ihren guten Taten bestätigt zu fühlen. Die Kinder bekommen ihre Anerkennung in Form positiver Aussagen: “Du hast so schön gebetet Mashallah! Möge Allah es von dir annehmen und dir dafür einen Palast im Paradies bauen!”

Sie bekommen ihre Anerkennung außerdem in Form eines Lächelns, einer Umarmung, eines Streichelns über den Kopf, in Form einer Notiz, eines Lobes…da können die Eltern sehr kreativ werden. All dies signalisiert dem Kind, dass es eine gute Tat vollbracht hat und lässt den Wunsch wachsen, mehr Gutes zu tun. So viel zu den Handlungen, die unmittelbar in die Kategorie der Gottesdienste fallen. Ich neige dazu, auch “normale” Handlungen nicht mit einer Belohnung im Sinne einer Kondition zu verknüpfen. Kinder sollen lernen, die Dinge zu tun, weil sie richtig sind. Sie sollen das Richtige und das Gute lieben und eine eigene Motivation haben, das Richtige zu tun. Ein Kind soll sein Zimmer aufräumen, weil es versteht, dass Ordnung eine wichtige Voraussetzung für Erfolg ist…weil es sonst seine Sachen nicht mehr findet und auch nicht so gut spielen kann (die Zusammenhänge werden immer entwicklungs-gerecht erklärt.) Ein Kind soll seine Zähne putzen, weil es versteht, dass Mundhygiene vom Islam und wichtig ist, damit es keine Karies entwickelt…Wenn Kindern regelmäßig Belohnung für alltägliche Handlungen in Aussicht gestellt wird, entsteht eine Erwartungshaltung und dies kann Gier und Unersättlichkeit fördern. Beides widerspricht den Zielen der islamischen Erziehung. Ich möchte den Eltern empfehlen sich die Zeit zu nehmen, den Kindern die Vor- und Nachteile eines Verhaltens zu erklären, ihnen aufzuzeigen, welche Konsequenzen ein Verhalten hat und was in der Situation am besten ist. Konditionale Zusammenhänge zwischen richtigem Verhalten und Belohnung würde ich selbst bei alltäglichen Handlungen vermeiden. Also nicht: “Wenn du dein Zimmer aufräumst, dann darfst du Fernsehen.” Sondern: “Räum bitte dein Zimmer auf. Wenn du fertig bist, können wir zusammen ein Spiel spielen.”

Anschließend möchte ich die Eltern bitten, bei der Art der “Belohnung” bedacht zu sein. Alles, was im Grunde schädlich ist (auch wenn es in geringen Mengen keinen unmittelbaren Schaden hervorruft) sollte nicht als Belohnung dienen. Süßigkeiten, Fernsehen, Video-Spiele…all dies ist schädlich für den Menschen, groß oder klein. Deshalb sollten diese Dinge im kindlichen Denken nicht mit dem Konzept “Belohnung” assoziiert werden. Denn mangels kognitiver Reife kann ein Kind in der Konsequenz kaum verstehen, warum es nicht dauernd Süßigkeiten essen, Fernsehen schauen und Video-Spiele spielen kann, wenn all dies doch gut ist, denn Mama und Papa belohnen damit. Diese Dinge können dem Kind in sehr bedachtem Maß eine Freude machen, ohne jedoch eine “Belohnung” zu sein – wobei Gaming sehr gefährliche Konsequenzen haben kann und es zu empfehlen ist, möglichst komplett darauf zu verzichten oder den Gebrauch von Konsolen zeitlich weit hinauszuschieben. Falls Belohnung in einer spezifischen Situation angebracht ist, sollte möglichst auf unschädliche, förderliche Belohnungen zurückgegriffen werden.

Und Allah, der Erhabene, weiß es am besten.