Allah ﷻ hat den Menschen mit verschiedensten Bedürfnissen ausgestattet: mit körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Bedürfnissen. Islam bedeutet, all diese Bedürfnisse Allahs Willen zu unterstellen und sie in dem Rahmen zu befriedigen, den der Schöpfer seinen Geschöpfen vorgegeben hat. Dieses ganzheitliche Menschenbild ist für die islamische Kindererziehung maßgeblich.

Wir betrachten unsere Kinder ganzheitlich mit ihren körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Bedürfnissen. All diese Bedürfnisse an den Werten und Maßgaben des Islam auszurichten und zu erziehen ist unsere Aufgabe.

In der islamischen Erziehung wird kein Bedürfnis ignoriert. Jedoch ist nicht das Bedürfnis selbst die Maßgabe unseres Handelns. Sondern die Ausrichtung der Bedürfnisbefriedigung am Islam. Deshalb ist die islamische Erziehung unserer Kinder ganzheitlich. Sie zielt nicht einfach darauf ab, unseren Kindern einzelne Handlungen zu vermitteln oder mit ihnen z.B. nur die islamischen Feste zu feiern. Vielmehr erziehen wir unsere Kinder dazu,

Der Islam regelt unser Leben und Zusammenleben im Hier und Jetzt. Denn das Diesseits ist die Durchreise in unser Jenseits. Alle diesseitigen Bedürfnisse unserer Kinder sind legitim und wichtig. Auch die islamische Erziehung unserer Kinder hat deshalb unbedingt diesseitige und jenseitige Ziele:

Diesseitige Ziele: eigenständige, ausgeglichene, körperlich und geistig gesunde Persönlichkeiten

Jenseitige Ziele: Persönlichkeiten, die vom Islam

überzeugt sind, ihn lieben und in Wort und Tat umsetzen

Weil der Islam den Menschen und sein Leben ganzheitlich betrachtet und regelt, gibt es eigentlich keinen Konflikt zwischen den diesseitigen und jenseitigen Zielen in der islamischen Kindererziehung. Alle Ziele weisen in die gleiche Richtung und ergänzen sich, die diesseitigen und die jenseitigen. Der Muslim ist körperlich aktiv, fleißig, strebsam, gebildet und belesen. Gleichzeitig ist er fromm, gottesfürchtig, sozial aktiv und den Menschen nützlich. All das geht Hand in Hand.

Doch manchmal passiert es, dass die Gesellschaft uns und unseren Kindern die Verbindung aller islamischen Erziehungsziele schwer macht. Denn sie ist nicht auf die islamische Erziehung abgestimmt und arbeitet teilweise sogar dagegen. Oder wir erzeugen selbst Konflikte, weil wir unseren Alltag nicht auf den Islam abstimmen. Als Eltern stehen wir dann vor Konfliktsituationen:

“Ich soll mein Kind zum Fajr aufwecken? Dann ist es in der Schule doch bestimmt müde!”

“Meine Tochter kann leider keinen Hijab tragen, damit kommt sie nicht auf die katholische Schule, auf die wir sie so gern schicken möchten.”

“Diesen Ramadan können meine Kinder nicht fasten. Der Ramadan fällt mit den Halbjahresprüfungen zusammen.”

“Ich weiß, dass es nicht so toll ist, dass meine Tochter zum Hip-Hop Tanzkurs geht. Aber Mädchenturnen, Nähkurs und Zeichenunterricht haben ihr halt nicht gefallen.”

“Mein Sohn will eben dazugehören, das ist doch normal. Keiner in seiner Clique betet.”

“Es geht nicht, dass mein Sohn Khalid Ibn Al-Walid im Unterricht als seinen Held vorstellt. Dann gilt er direkt als extrem.”

“Es war immer unser Ziel, dass unsere Tochter Ärztin wird und für ein Studium in Deutschland hat der NC nicht gereicht. Dann muss sie halt ein paar Jahre allein im Ausland leben.”

Normalerweise ist es möglich, das Gebet, das Fasten, den Hijab, überhaupt alle Gottesdienste und die Schule, das Studium, den Beruf sowie das soziale Leben miteinander zu verbinden. Dafür brauchen wir nur einen festen Willen, ein bisschen organisatorisches Geschick und viel Du’a. Die Gebetszeiten z.B. gelten als Maßstab des Aufstehens, Schlafengehens und aller alltäglichen Aktivitäten und Besorgungen.

Manchmal bedarf es sogar eines Schulwechsels, Umzugs oder sogar einer Auswanderung, um die Ziele der islamischen Erziehung in Einklang zu bringen. Wo ein Wille ist, ist regelmäßig auch ein Weg. Dass unsere Kinder körperlich aktiv und gesund sind, geistig gefördert werden, die bestmögliche Bildung genießen und ein gutes und abwechslungsreiches soziales Umfeld haben…all das sind Ziele der islamischen Kindererziehung. Sie gehen mit unseren jenseitigen Zielen Hand in Hand. Denn wir erziehen ganzheitlich.

Doch manchmal entstehen Konflikte, in denen es keine Möglichkeit gibt, alle Ziele miteinander zu verbinden. Etwa wenn der Ramadan in die Prüfungszeit fällt oder eine Privatschule die Tochter wegen des Hijab ablehnt…In diesen absoluten Konfliktfällen gehen die jenseitigen Ziele der islamischen Erziehung allen anderen Aktivitäten und Zielen vor.

Als Eltern müssen wir uns aufs äußerste Bemühen, Alternativen zu schaffen. Wir ziehen in ein besseres Umfeld, in dem unsere Kinder mit ihrem Islam weniger anecken und Gleichgesinnte finden. Wir knüpfen Beziehungen zu anderen muslimischen Familien. Wir organisieren Freizeit und Sport für unsere Kinder, die den islamischen Maßgaben entsprechen. Wir gründen islamische Kindergärten und Madrasas. Wir wandern notfalls aus, um unsere Kinder vor den Inhalten zu schützen, die ihre Fitra zerstören. Wir gehen so weit wie wir können, um alle Ziele der islamischen Kindererziehung miteinander zu verbinden. Doch manchmal stoßen wir an unsere Grenzen.

Manchmal lassen sich schulische Leistungen, Studienplätze, Berufschancen, Sport, Freizeit und Freundeskreis nicht mit den jenseitigen Zielen der Erziehung verbinden. Im äußersten Konfliktfall müssen wir uns als Familien für das Jenseits entscheiden und dafür einen Teil des Diesseits opfern. Mit voller Überzeugung. Mit tränenden Augen und dennoch einem Lächeln im Gesicht. Denn für Allah Sabr zu zeigen und zu verzichten ist der Sinn des diesseitigen Lebens, der schönste Gottesdienst und für unsere Kinder die beste Erziehung.

Was bringt unseren Kindern ein erfolgreicher Abschluss, wenn sie dafür ihr Gebet vernachlässigt haben? Was bringt unseren Töchtern die Aussicht auf den besten Studienplatz und Beruf, wenn er sie am Hijab hindert und ihre Aufgaben als Mutter und Ehefrau darunter leiden? Was ist die soziale Anerkennung unserer Kinder wert, wenn sie dafür ihre islamischen Werte verstecken oder sogar ablegen?

“Und wer Allah fürchtet, dem schafft Er einen Ausweg und gewährt ihm Versorgung, von wo er damit nicht rechnet. Und wer sich auf Allah verlässt, dem ist Er seine Genüge. Allah wird gewiss Seiner Anweisung zur Geltung verhelfen. Allah legt ja für alles ein Maß fest.” (Sure At-Talaq, Verse 2, 3)

Wer Taqwa zeigt, sich an Allahs Gesetze hält, nach Allahs Wohlgefallen strebt und Seine Strafe fürchtet, dem gibt Allah einen Ausweg!

Wir leben mit unseren Kindern im Diesseits und befinden uns auf unserer Reise ins Jenseits. Eine gute Erziehung achtet das Diesseits der Kinder und gibt ihnen, was sie brauchen, um im Hier und Jetzt zu gedeihen. Doch eine gute Erziehung opfert niemals das ewige Jenseits der Kinder für ihr kurzes Diesseits. Damit tun wir unseren Kindern wahrlich großes Unrecht.