Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass Buchstaben ihre Bedeutungen nicht mehr tragen können. Dass sie unter der Bedeutungsschwere von Gazas Eltern zusammenbrechen. Dass jede Erziehungslehre in Gaza zur Theorie verblasst, weil sie von Gazas Eltern überstrahlt wird.

Gazas Eltern haben mich verändert. Ich bin nicht mehr die Mutter, die ich war.

Nur wer in diesem Leben mit seiner Erziehung im Reinen war, kann sein Kind mit tränenden Augen und friedlichem Lächeln ins Leichentuch hüllen, um es der Obhut des Erhabenen zu übergeben. Ich wünsche mir den Iman von Gazas Eltern. Denn unsere Kinder sind Gäste in diesem Leben, genau wie wir. Wenn es dereinst einen Abschied geben muss, will auch ich mich so friedlich in Allahs Bestimmung fügen. Weil mein Kind und meine Erziehung, weil ohnehin alles für Allah (swt) war.

Gazas Eltern erziehen auf der Grundlage, dass ihre Kinder Allah gehören und zu Ihm zurückkehren. Inna Lillah wa inna ilayhi raji’un. Denn in Gaza werden die Kinder nicht groß. In Gaza nimmt Allah seine Amana früh zurück. Die Kinder, die doch groß werden, leben weiter in dem Takt, den ihre Eltern für sie eingestimmt haben. Sie legen mit bloßen Händen leichte Granaten auf schwere Panzer. Für Allahs Haus und den Aufstiegsort des Propheten (saw) zu sterben, ist ihre größte Ehre. Sie gehen lächelnd und erhobenen Hauptes in dunkle Gefängnisse, weil ihr Rückzug bei Allah ist. Inna lillah wa inna ilayhi raji’un, im Leben und im Tod.

Wer in Gaza erzieht, muss mit wenig auskommen. Das ist nicht erst so, seit die Häuser in Schutt und Asche liegen. Entbehrung ist die einzige Süße, die Gazas Kindern immer auf der Zunge liegt. Wer in Gaza erzieht, kommt mit den einfachsten Mittel aus, weil jede Lücke und jeder Bedarf mit Liebe aufgefüllt wird. Mit Liebe für Allah, für Seinen Gesandten, Liebe für Al-Aqsa, Liebe für Wahrheit und Gerechtigkeit. Mit Liebe für die Früchte unserer Herzen, unsere Kinder, die Allah uns geschenkt hat. Weil Kinder in Gaza immer eine Freude und ein Segen sind. In Gaza nennt man Kinder „Ruh Ar-Ruh“ – „Seele der Seele“.

Die Väter und Mütter von Gaza sind mit Allahs Bestimmung zufrieden. Sie sind der verkörperte Hamd. Auf den Trümmern ihres materiellen Daseins sitzend, flüstern und rufen sie „Alhamdulillah“. Wenn sie die kleinen Leichentücher ihrer Kinder in tiefe Massengräber hinablassen, flüstern und rufen sie „Alhamdulillah“. Wenn sie ihren Kindern Abwasser zu trinken geben, flüstern sie „Bismillah“ und „Alhamdulillah“. Wenn sie die hungrigen Bäuche ihrer Kleinen reiben, flüstern sie „Alhamdulillah“. Während sie ihren amputierten Jungen und Mädchen versichern, dass es auch ohne Arme und Beine Träume und Freude geben kann, murmeln sie „Alhamdulillah“. Das ist der Hamd von Eltern, die ihre Kinder auf eine Reise mitgenommen haben. Auf eine Reise ins Jenseits, zu ihrem Herrn. Sie sitzen mit ihren Kindern nur kurz unter dem schattigen Baum des Diesseits, bevor sie voller Sehnsucht auf den Barmherzigen treffen.

Die Mütter und Väter von Gaza haben der Welt bewiesen, was passieren kann, wenn man seine Kinder mit hohen Zielen und ehrenhaften Motiven erzieht. Wie aus kleinen Menschen in schmutziger Kleidung Vorbilder für die Menschheit werden. Was es bedeutet, von klein auf mit bloßen Händen gegen die Ungerechtigkeit der gesamten westlichen Welt, ihre Heuchelei und Verlogenheit zu kämpfen. Dass der Mensch sich durch seine Dienerschaft gegenüber Allah über alles Leid und Elend erhebt. Nur durch hohe Ziele und ehrenhafte Motive werden Kinder zu Lehrern für die Menschheit. Nur wer mit seinen Kindern für hohe Ziele lebt, bringt große Persönlichkeiten hervor, die Unerträgliches ertragen können, damit die Menschheit Hoffnung fassen kann. Weil die Menschheit die Kinder von Gaza, ihre hohen Ziele und ihre ehrenhaften Motive braucht.

Gazas Eltern sind Helden. Weil Heldentum in der Ausdauer liegt und in der festen Absicht, nicht aufzugeben. Weil Heldentum nicht an einem Tag geboren wird. Sondern in den Wochen, Monaten und Jahren, in denen man Erschwernis geduldig erträgt. Weil Gazas Eltern es Allah überlassen, wann der Sieg und die Erleichterung kommen. Weil sie dort weitermachen, wo wir glauben, dass es nicht weitergeht.

Gazas Eltern haben Milliarden Augen geöffnet. Sie haben dafür kein einziges Buch geschrieben, keinen Unterricht gegeben, keinen Vortrag gehalten. Sie haben der Ummah des Islam und allen Völkern die Schleier von den Augen genommen. Sie haben glasklar bewiesen, wer Freund und wer Feind ist, wer Verbündeter und wer Verräter. Sie haben gezeigt, wer die Grenzen vor ihnen und ihren Kindern verschließt, wer Anteilnahme heuchelt, doch keine Soldaten schickt. Sie haben die Heuchler gezwungen, sich ihre Blöße zu geben. Sie haben dem Unrecht der Demokratie, der Menschenrechte, der westlichen Welt und ihrer abscheulichen Philosophie den Todesstoß verpasst. Sie haben alldem ein Ende gesetzt, damit das Zeitalter des Islam anbrechen kann.

Die Eltern von Gaza erziehen mit dem Quran. Sie leben mit ihren Kindern mit dem Quran. Sie und ihre Kinder atmen Quran. Jedes Jahr bringt Gaza hunderte, ach tausende Huffadh hervor, die den Quran lernen, lehren und leben. Nicht in glänzenden Schulen, sondern unter schwersten Umständen. Die Kinder von Gaza finden ihre Erleichterung im Quran, wenn sie ohne Narkose aufgeschnitten werden.

Die Eltern von Gaza haben uns gelehrt, was Würde bedeutet. Dass Würde nicht bedeutet, mit seinen Kindern in einem großen Haus zu leben. Nicht einmal, ihnen saubere Kleidung anzuziehen. Dass Würde bedeutet, Diener Allahs zu sein und sich und seine Kinder bereitwillig für Allah zu opfern. Für das Recht einzustehen. Dass Allah jenen Würde verleiht, die nur Ihn um Hilfe bitten, weil alle Würdenträger dieser Welt sie verraten haben. Dass wir ohne Islam im Elend leben und nur im Islam Würde finden.

Gaza ist unsere Schule. Die Mütter und Väter von Gaza sind unsere Lehrer. Und ihre Kinder sind die Hoffnung dieser Ummah.